Vorgeschichte
Im 19. Jahrhundert entwickelte sich der Obstbau in der Mittelsteiermark zu einem Zuerwerb der Landwirtschaft. Neben der Gründung des Obstbauvereins für Steiermark 1889 war es Verdienst einiger Menschen, die die Ausbildung der Bevölkerung in obstbaulichen Fragen sowie das Anlegen von Streuobstwiesen, der damalig gängigen Kulturform des Obstbaus stark förderten. So auch in Frohnleiten, wo der aus der Oststeiermark stammende Lehrer Franz Meixner den Obstbauverein Frohnleiten im Jahr 1901 gründete. Er unterwies sogar in der Schule die Kinder im Veredeln von Obstbäumen, den Bauern stand er bei der Auswahl geeigneter Obstsorten für die Anlagen zur Seite. Auf die 1930er Jahre, den intensivsten Pflanzjahren, gehen heute noch existierende Streuobstbestände im Raum Frohnleiten zurück, mit mitunter ausgefallenen Obstsorten, die eine Weitererhaltung nahelegen, sind sie doch an die Klimaregion bestens angepasst.
Zielsetzung
Da mir diese reichhaltigen Bestände immer wieder deutlich vor Augen führten, wie geeignet sie sind, das Landschaftsbild zu prägen, ökologische Funktionen ausgezeichnet zu übernehmen und durch hochwertiges Erntegut die Menschen der Region ernährt, lag es nahe, der beginnenden Überalterung der Bestände durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Ein rein museales Erhalten ist dabei eher nicht zielführend, der ökonomische Faktor (inklusive gesundheitliche Aspekte) ist immer einzubeziehen, da dadurch eine dauerhafte Bewirtschaftung gefördert wird: „Schützen durch Nützen“.
Vorgehensweise
Um die Besonderheiten der Sorten abbilden zu können, wurde als erster Schritt die Erhebung der Obstsorten begonnen. Die ersten Ergebnisse brachten trotz schwacher Ernte 2023 (teilweise kein einziges Obst am Baum) interessante Apfel- und Birnensorten zum Vorschein, die jede für sich bestimmte Eigenschaften für den Verzehr und die Weiterverarbeitung besitzen. Dazu wurden mit Unterstützung der Stadtgemeinde Frohnleiten und der Klimaregion GU-Nord nach einem Aufruf in der regionalen Gemeindezeitung für die Bewohner kostenfrei die Obstsorten durch die Pomologin DI Katharina Varadi-Dianat und Wolfgang Weingerl festgestellt und per Einmessung mit GPS in einem Kataster lokalisiert. Das Projekt ist für mehrere Jahre mit jährlich bis zu 5 Bestimmungstagen angesetzt und soll ein möglichst vollständiges Bild des Sortenreichtums der Region abbilden.
Bitte bei Wolfgang Weingerl melden, wenn Kartierungsbedarf im eigenen Bestand besteht: weingerlwolfgang@a1.net
Als zweiter Schritt sollen diejenigen Obstsorten, die als Raritäten bezeichnet werden können und für die Region klimatisch gut geeignet sind, nach dementsprechendem Anschnitt und Bildung von Edelreisern auf großkronigen Unterlagen vermehrt werden, damit auch genetisch gesichert werden. Innerhalb gleicher, auch gängiger Obstsorten sind unterschiedliche Varietäten interessant für die Weitervermehrung. Auch unter geänderten Bewirtschaftungsformen der Flächen ist die Neuanlage von Hochstamm-Obstbäumen mit Nebennutzung der Unterflächen möglich und soll damit auch zukünftig die positiven Aufgaben von Streuobstwiesen erfüllen (Agroforest).
Als dritter Schritt soll das Obst als Frisch- oder Verarbeitungsobst im näheren Umkreis der Bevölkerung zur Verfügung stehen. Als Dachmarke über das Gemeindegebiet hinaus schlage ich die Bezeichnung „Gutes aus dem Grazer Bergland“ vor, das ohne weiteres auch anderen regionalen Produkten ein Gesicht beim Konsumenten geben kann.
Notwendig sind dazu neben gewissen Anlagen wie Obstpresse, Pasteurisieranlagen, Essigreaktoren, CA-Lager für Frischobst vor allem die Einbeziehung der Menschen der Region, die in die Pflanzung, Pflege, Ernte und Verarbeitung zu hochwertigen Lebensmitteln stark eingebunden werden sollen, womit auch der Identität der Produkte gedient sein soll. Vermittlungsprojekte für die nächste Generation (z.B. an Schulen) kann dabei den Verlust von traditioneller Wissensweitergabe in Familien ersetzen.
Streuobstbestände stellen in unserer Region, die obstbaulich nicht durch Intensivobstbau geprägt wurde, aber gut für Obstkulturen
verschiedener Art geeignet ist, einen Schatz dar, der uns oft als selbstverständlich wenig auffällt. Diesen Schatz für Landschaftsbild, Ökologie und Lebensmittel zu erhalten, zu erneuern und
gerade in Zeiten klimatischer Herausforderungen als resilienten Bestandteil unserer belebten Umgebung langfristig zu sichern, ist eine positive und zukunftsfähige
Herausforderung!
Obmann Obst- und Gartenbauverein Frohnleiten und Obstbaumwart Wolfgang Weingerl, 1.4.2024
Preisverleihung Silberdistel 2024
Die Stadtgemeinde Frohnleiten mit Bürgermeister Johannes Wagner, die KLAR! GU-Nord mit Managerin Michaela Ziegler, der Obst- und Gartenbauverein Frohnleiten mit Obmann Wolfgang Weingerl und die Pomologin Katharina Varadi-Dianat wurden am 22. Mai 2024 mit der Silberdistel in der Kategorie "Bildungseinrichtungen und Gemeinden" für dieses Projekt geehrt.
Apfelblütenwanderung mit der VS Frohnleiten
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